Starter-Filmpreise 2023 an Student*innen der HFF München vergeben / Starter-Filmpreise werden jährlich vom Kulturausschuss des Stadtrates der Landeshauptstadt München an künstlerisch herausragende Projekte des Münchner Regienachwuchses vergeben / Zusätzlich wird der Starter-Filmpreis Produktion, gestiftet von Pharos – The Post Group, vergeben / Preisverleihung findet dieses Jahr wieder im Rahmen des Filmfest München statt
München, Mai 2023 – Wie bereits bekannt gegeben wurde, erhalten in diesem Jahr vier Produktionen von/mit Student*innen und -Alumni*ae der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) München die Starter-Filmpreise der Landeshauptstadt München: Die drei mit jeweils 8.000 € dotierten Regie-Nachwuchspreise gehen an Nikita Gibalenka für I SEE THEM BLOOM, Viktor Schimpf für MACHINES OF LOVING GRACE und Marie Zrenner für ALEX IN DEN FELDERN.
Den zusätzlichen Starter-Filmpreis für Produktion, gestiftet von ARRI Media GmbH als geldwerte Leistung in Höhe von 8.000 Euro für die Postproduktion eines künftigen Films gab es für das Regie-Team von ARALKUM: Daniel Asadi-Faezi und Mila Zhluktenko. Über die Vergabe der Preise hatte auch in diesem Jahr wieder der Kulturausschuss des Stadtrates der Landeshauptstadt München auf Vorschlag einer Jury entschieden. Der Jury gehörten unter der Leitung von Kulturreferent Anton Biebl an:
Markus Aicher (Bayerischer Rundfunk), Dunja Bialas (Filmjournalistin), Claudia Engelhardt (Filmmuseum München), Christoph Gröner (Filmfest München), Despina Grammatikopulu (Filmemacherin), Erec Brehemer (Filmemacher, Starter-Preisträger 2022), Stadträtin Marion Lüttig, Stadtrat Thomas Niederbühl, Fraktion (beide Die Grünen-Rosa Liste), Stadträtin Ulrike Grimm, Stadtrat Leo Agerer, (beide Fraktion der CSU mit FREIE WÄHLER), Stadtrat Lars Mentrup, Fraktion SPD/Volt
I SEE THEM BLOOM – Nikita Gibalenko
HFF-Team: Nikita Gibalenko (Regie, Schnitt, Drehbuch), Sharyhan Osman, Laura Lybaschenko (beide Drehbuch), Jennifer Drake, Liam Wölfer (beide Produktion) und Mirko Hans (Kamera)
Jurybegründung: Nastya und Eugenia sind Schwestern, die vor dem Krieg in der Ukraine nach München geflüchtet sind und bei einem jungen Studentenpaar unterkommen. Übergangslos werden sie in ein anderes Leben katapultiert. Regisseur, Drehbuchautor und Editor Nikita Gibalenko, der die Ukraine bereits 2013 verlassen und an der HFF München studiert hat, weiß, wie es sich anfühlt, hier in Sicherheit zu sein und sich dafür schuldig zu fühlen. Dieses Dilemma lotet seine sensibel erzählte Geschichte I SEE THEM BLOOM aus. Während Nastya von der neuen Welt fasziniert ist, kann Eugenia nicht aus ihrer Haut und fühlt sich fremd. Die Gefühlswelt der beiden Schwestern wird vor allem auf der Tonebene gespiegelt: Harmlose Geräusche bauen sich zur Bedrohung auf, Ton und Bild laufen auseinander, lassen vertrautes Ukrainisch hören und unbeschwerte Szenen im Hallenbad sehen. Nikita Gibalenko ist das Kunststück gelungen, die dramatische Geschichte zweier Kriegsflüchtlinge und die Ankunft im vermeintlichen Paradies als halbstündigen Kinofilm im breiten Cinemascope-Format und hochwertigen Dolby-Sound zu gestalten und sich dabei fast ausschließlich auf die Innenwelt der Protagonistinnen zu konzentrieren. Mit sensibler Kameraführung und klugen Bild-Ton-Verschränkungen fängt der Regisseur die Zerrissenheit ein und kontrastiert damit das friedliche Leben im Gastgeberland, ohne dessen Sorglosigkeit moralisch zu bewerten. Man wüsste gerne, wie es mit den beiden Schwestern weitergeht. Der Titel I SEE THEM BLOOM gibt Hoffnung.
MACHINES OF LOVING GRACE – Viktor Schimpf
HFF-Team: Viktor Schimpf (Regie und Produktion), Annelie Boros (Co-Regie), Dino Osmanovic (Kamera), Lukas Väth (VFX)
Jurybegründung: München, September 2020: Auf von Autos verlassenen Straßen wachsen Pflanzen, Diversität ist selbstverständlich und die Menschen unterstützen sich gegenseitig. In einem Gewächshaus erschafft Forscherin Frances eine mächtige Künstliche Intelligenz. Je mehr diese über die Welt und die Menschen lernt, desto mehr entwickelt sie eine eigene Haltung zu den bestehenden Verhältnissen. Als Frances sie eines Tages an einen großen Konzern verkaufen möchte, stellt die KI unerwartet ihre ganz eigenen Forderungen. Visuell beeindruckend, mit klug gewählten Erzählperspektiven, zeigt uns „Machines of Loving Grace“ eine Welt, in der die Würde und Individualität jedes Menschen respektiert wird. Eine Welt, in der Arbeit persönliche Entfaltung statt Pflichterfüllung geworden ist. Eine Welt, die vielsprachig, grün und von einem humanistischen Weltbild geprägt ist. Das alles schafft Regisseur Viktor Schimpf mit einer spielerischen Selbstverständlichkeit, ohne erhobenen Zeigefinger. Dass diese Utopie einer Gegenwart im Genre des Science-Fiction erzählt werden muss, kann zugleich als Kritik und Hoffnung auf eine bessere Zukunft gesehen werden.
ALEX IN DEN FELDERN – Marie Zrenner
HFF-Team: Marie Zrenner (Regie), Marie Zrenner, Leo van Kann (Drehbuch), Nina Wesemann (Kamera), Johanna Seggelke (Producer), Maya Duftschmid (Produktion)
Jurybegründung: Da kommt einer. Woher? Warum? Er kommt über die Felder. Ein junger „Stranger“, eher ein Milchgesicht als ein Starker. Er kommt zu einem Hof, zur Schweinemast, wo er auf einen anderen trifft, der zur Resozialisierung hier ist. Er ist stärker, gewöhnt an die Arbeit in der Landwirtschaft und sich bewusst, dass Verstöße gegen die Regeln gravierende Folgen haben können. Die beiden umkreisen sich. Regisseurin Marie Zrenner ist in „Alex in den Feldern“ ein behutsames und kluges Psychogramm gelungen, das von beobachteten Gesten und Unausgesprochenem lebt. Die jungen Darsteller und die sie umgebenden Laien werden geschickt geführt, zueinander gestellt. Man wird Zeuge einer Annäherung zweier Männer, die nicht in den Rahmen passen. Der eine, der schon da ist, wird am Ende den anderen verstoßen. Aus Schutz, aus Eigennutz. Marie Zrenner skizziert eine fragile Beziehung im Glashaus, bei der es völlig unwichtig ist, ob sie homoerotisch ist oder nicht. Zwei junge Boys, zwei Seelen, zwei Lebenswege. Und wenn in der abgedunkelten Dorfkneipe einer der beiden tanzt, alkoholisiert, gänzlich für sich, lächelnd, mit der Kippe in der Hand, lost in music, mit grandioser Kameraarbeit abgebildet, gespiegelt im Blick des anderen – dann gehört dies zu den einprägsamsten und schönsten Kinoszenen der letzten Zeit. Ein sehr klug inszenierter Film einer Regisseurin, von der wir mehr sehen wollen!
ARALKUM – Daniel Asadi Faezi und Mila Zhluktenko
HFF-Team: Daniel Asadi Faezi, Mila Zhluktenko (Regie, Produktion),
Jurybegründung: Das Verschwinden selbst, das Alleinsein des Menschen im Anthropozän, fasst „Aralkum“ weit über sein spezifisches Anschauungsobjekt, den Aralsee, hinaus in Bilder. Etwas ziemlich Unfilmbares also. Nicht Landschaft, sondern Tierpräparate stehen am Anfang, später sehen wir resistente Wüstenpflanzen, dann erst Menschen, die weniger leben als ihr Dasein fristen. In „Aralkum“ durchzieht das Vergangene die Gegenwart mit fossilen Spuren, nur durch die Bild-Ton-Montage ist die Vergangenheit zu reanimieren. Ein Film als Essay, der den Zuschauer mit drängenden Fragen zurücklässt. Daniel Asadi Faezi und Mila Zhluktenko haben „Aralkum“ mit viel Recherche und wenig Geld produziert. Wie in früheren Arbeiten verbinden sie vielschichtig ästhetische Genauigkeit und politische Kraft. Die Werke der beiden Studenten der Hochschule für Fernsehen und Film sind mehr als filmische Versprechen, sie sind künstlerisch ausgereift – und von einer Konsequenz, wie sie in der heutigen Filmlandschaft nur noch schwer zu realisieren ist. Dezidiert will die Jury deshalb die Produzentenleistung der beiden würdigen und gezielt bestärken.