Über das Exposé
Hier werden die Hauptkriterien eines gelungenen Exposés erläutert.
von Michael Gutmann, Doron Wisotzky, Bernd Blaschke
Ein Filmexposé ist im Präsens verfasst und enthält den Handlungsverlauf in seinen wesentlichen Entwicklungsschritten von Anfang bis Ende.
Wesentliche Entwicklungsschritte sind diejenigen Bausteine einer Erzählung, in denen etwas passiert, das für den weiteren Verlauf der Handlung entscheidend ist.
Wesentliche Entwicklungsschritte werden durch Gefühle, Überlegungen und aktive Handlungen der beteiligten Figuren geschildert.
Ein Exposétext bemüht sich um eine filmische Erzählweise.
Vieles, was typisch ist für einen Prosatext, fällt im Exposé weg, zum Beispiel der innere Gedankenstrom: Sie hatte hier lange auf ihn gewartet. Als das Café schloss und ihr endgültig klar wurde, dass er nicht kommen würde, stellte sie sich detailliert vor, wie sie ihn diese Enttäuschung büßen lassen würde.
Solche unausgesprochenen Bilder, Gefühle und Gedanken kann ein Exposé nur beschreiben, wenn es in dem Film ausdrücklich eine zweite Ebene geben wird, den Tagtraum, die Vision, die Innenwelt („Heavenly Creatures“, 1994, Peter Jackson).
Das Exposé konzentriert sich auf reale Ereignisse, die in der physischen Welt stattfinden. Im Inneren verborgene Konflikte einer Figur werden durch dramatische Handlung verdeutlicht. Häufig sind das Situationen, in denen Konflikte mit anderen Charakteren / Figuren zu sehen sind. Das Sichtbare ist im Exposé deshalb so wichtig, weil sich der Text um visuelle Momente bemüht, an die sich die Leserinnen und Leser später erinnern.
Dialoge sind gut geeignet, um Konflikte zu schildern. Im Exposé müssen Möglichkeiten gefunden werden, eine lange Dialogsituation möglichst knapp zusammenzufassen. Nicht besonders elegant sind lange Dialogpassagen mit indirekter Rede im Konjunktiv.
Wenn Dialoge so wichtig sind, dass sie unbedingt im Exposé stehen müssen, dann versuchen Sie es in einer Mischung aus wörtlicher Rede und indirekter Rede.
Langatmige Beschreibungen von Orten, Personen und Gegenständen gehören nicht in ein Exposé, vor allem nicht an den Textanfang. Einzige Ausnahme: Wenn die Leserinnen und Leser noch nie von solchen Menschen und Orten gehört haben, sind lange Beschreibungen wichtig für das Verständnis.
Im Exposé finden sich durchgehend Hinweise darauf, welches Ziel oder welche Ziele die Hauptfigur verfolgt. Die Leserinnen und Leser werden darauf hingewiesen, was die Hauptfigur fühlt, was sie als Nächstes plant und wie sie nach dem Scheitern eines Planes weiter vorgeht.
Das Gleiche gilt für die antagonistischen Kräfte.
Wenn die antagonistischen Kräfte rätselhaft und unberechenbar sind, bemüht sich die Hauptfigur hinter die Regeln und die „Logik“ der antagonistischen Kraft zu kommen. Wie das abläuft, ist Genre abhängig. Der Katastrophenfilm, der Thriller, der Psychothriller und der Horrorfilm sind nur einige Beispiele für Genres, in denen die Hauptfigur versucht zu erforschen, wie antagonistische Kräfte einzuschätzen sind, also was als Nächstes passieren könnte.
Der Reiz vieler Geschichten besteht darin, dass Figuren sich verkleiden und verstellen. Antagonist*innen tun das. Aber nicht nur sie, auch Protagonist*innen können sich verstellen. Die Enthüllung der wahren Absichten einer Figur bildet einen wichtigen Moment in der Handlung. Das Spiel aus Verhüllen und Enthüllen macht einen Exposé-Text lebendiger, oft auch spannender oder witziger.
Die wahren Beweggründe, warum eine Figur mit ganzer Kraft etwas Bestimmtes anstrebt oder mit großer Beharrlichkeit einer Sache ausweicht, führen zum Kern des Exposés. Wenn die Leserinnen und Leser am Ende der Erzählung die wahren Beweggründe der Hauptfigur nicht verstanden haben, werden sie mit großer Wahrscheinlichkeit auch nicht begreifen, worin der Sinn der Geschichte besteht.
Hier noch einige grundsätzliche Tipps zum Stil Ihres Exposé-Textes:
Einzelne Szenen stehen nur dann im Exposé, wenn sie wesentliche Entwicklungsschritte der Handlung darstellen. Ansonsten werden im Exposé mehrere Szenen in aller Kürze zusammengefasst oder sogar völlig weggelassen.
Ist ein persönlicher Stil erlaubt oder muss ich möglichst unpersönlich schreiben?
Für eine Beantwortung dieser Frage überlegen Sie, wer die Adressaten Ihres Exposés sind. Möchten Sie, dass die Leserinnen und Leser Ihre persönliche Art zu schreiben besser kennenlernen? Dann schreiben Sie so persönlich, wie möglich. Schreiben Sie vor allem nicht staubtrocken.
Oder ist Ihr Exposé zum Beispiel an einen Writers‘ Room gerichtet, der zunächst einmal nur den Plot entwickelt und von Ihnen eine Story Outline braucht, also einen Handlungsabriss in knappen Sätzen? Wenn das so ist, dann lassen Sie alle Ausschmückungen und Ihren persönlichen Stil weg. Denn es geht ja nicht darum, den anderen Autorinnen und Autoren im Writers‘ Room zu beweisen, dass Sie einen Stil haben. Die wissen das bereits.
Stellen Sie sich selbst die Frage, was Ihr Exposé von einem nüchternen, sorgfältig geschriebenen Bericht unterscheidet.
Ein Polizeibericht über die Umstände eines Unfalles hat nur vier Dinge mit einem Exposé gemeinsam. Es sind die vier W-Fragen.
Sie lauten: Was geschieht wo mit wem und wann?
Außer den vier W-Fragen eines Berichtes benutzen Exposé-Autor*innen eine fünfte W-Frage. Es ist vielleicht die Wichtigste: Warum?
Dieses Warum bezieht sich auf die Beweggründe einer Figur, aber auch auf die Hintergründe der Ereignisse. Warum geschieht etwas? Ist es Zufall, Schicksal, menschliche Absicht?
Sobald Sie über die Beweggründe (Motivation) Ihrer Hauptfigur nachdenken und Ihre Überlegungen in das Handlungsgeschehen einbetten, wird Ihr Exposé besser werden. Das gilt auch für die Beweggründe des Antagonisten / der Antagonistin.
Die allerletzte Warum-Frage lautet: Warum wurde mir die Geschichte erzählt? Diese Frage steht im engen Zusammenhang mit der Rolle der Autorin / des Autors. Die Erzählabsicht deutet sich häufig schon im Titel des Exposés an: „Hin und Weg“ (Ariane Schröder, auf der Website der HFF Drehbuchabteilung). Allerdings gibt es auch Titel, die das Erzählvorhaben noch nicht ankündigen. Das sind zum Beispiel Titel, die einen Ort oder eine Zeit oder einen Namen nennen: „Sibylle“ (von Silvia Wolkan), „Terra Murata“ (von Daphne Ferraro), „Frühling in Budapest“ (von Julien Hebenstreit).
Für Leserinnen und Leser ist es hilfreich, wenn unter Ihrem Exposé-Titel eine Genre-Bezeichnung steht oder ein kurzer Satz, der uns indirekt auf das Genre hinweist („A Ghost Story of Today“).
Die Leserinnen und Leser stellen sich mit Hilfe des Titels, der Genrebezeichnung und des kurzen Satzes in der Unterzeile auf das Exposé ein.
Die Leserinnen und Leser versuchen zu verstehen, welche Haltung die Autorin / der Autor gegenüber den geschilderten Charakteren und deren Handlungen einnimmt. Ist es eine sanfte Ironie gegenüber den geschilderten Figuren? Oder ist es beißender Spott? Ist die Haltung eine aufrichtige Anteilnahme, ohne jegliche Ironie, verbunden mit dem Wunsch, das Publikum möge die Hauptfigur in ihr Herz schließen? Verweigert das Exposé jegliche ernsthafte Botschaft oder will es uns wachrütteln?
Zwischen diesen Extremen gibt es sehr viele Schattierungen, und es ist gut, Missverständnisse von Anfang an zu vermeiden. Führen Sie die Leserinnen und Leser schnell und klar in den Tonfall der Erzählung hinein. Man spricht hier auch von „Tonalität“.
Beispielexposés