Ehrenmitglied Professorin Doris Dörrie
Prof. Doris Dörrie wurde 1997 an die HFF berufen, etablierte die Lehre des Drehbuchschreibens und gründete den in Deutschland einzigen Lehrstuhl „Creative Writing“ mit völlig neuen Lehrinhalten zur Förderung des kreativen Denkens und Schreibens.
„… Wenn man schreibt, schreibt man immer über sich selbst. Es ist abwechselnd wunderbar, schmerzhaft, narzisstisch, therapeutisch, herrlich, befreiend, tieftraurig, beflügelnd, deprimierend, langweilig, belebend. Schreibend halte ich mich am Leben und überlebe. Jeden Tag wieder. Ich schreibe, um diese unglaubliche Gelegenheit, am Leben zu sein, ganz genau wahrzunehmen und zu feiern. Ich schreibe, um einen Sinn zu finden, obwohl es am Ende wahrscheinlich keinen gibt….“
Leben Schreiben Atmen (Diogenes, 2019)
Der Zugang zur eigenen Kreativität kann im Schaffensprozess leicht durch Ängste und Zweifel verschüttet werden – doch es gibt viele Wege, zu Kreativität und Phantasie zurück zu finden. Wir üben mit den Studierenden die verschütteten Schätze zu entdecken und mit Freude zu heben.
Das große Spektrum unseres Angebotes spiegelt die Freiräume wieder, die wir mit den Studierenden erschließen. Mit dem Leitgedanken, dass die Studierenden sich als Geschichtenerzähler*innen verstehen sollen, ermutigen wir viele junge Menschen, die später zu Filmemacher*innen, Produzent*innen und Autor*innen wurden sich auszuprobieren: vom Schreiben für hybride Formate, über Hörbuch bzw. Podcast-Formate, Graphic Novels bis hin zur Games-Branche.
Offenheit, Neugier und Vernetzung sind uns ein besonderes Anliegen, weshalb wir häufig interdisziplinäre Projekte für Studierenden aller Studiengänge anbieten. Unsere oft auch internationalen und renommierten Dozent*innen bringen neue Impulse und Entwicklungen aus aller Welt zu uns und verbinden ihre Freude am kreativen Schaffen mit einer großen handwerklichen Erfahrung.
Creative Writing ist Teil der Abteilung VI Drehbuch unter der Leitung von Prof. Michael Gutmann.
Doris Dörrie über das Schreiben
"Wir haben in Deutschland ein nationales Schreibhandikap, weil wir im Grunde zutiefst davon überzeugt sind, dass man schreiben nicht lernen kann. Entweder man fällt als Goethe vom Himmel auf deutschen Boden - oder man sollte es doch besser gleich bleiben lassen. So ergibt das ständige Gejammere, es gäbe bei uns keine Autoren, natürlich Sinn.
Die Amerikaner haben mit ihrem schrecklichen Optimismus, dass man alles schaffen kann, auch vor dem Schreiben nicht Halt gemacht. Schon lange vor der Erfindung des "creative writing" gab es dort eine Vorstellung, dass man allein durch Schreiben schreiben lernen kann. Eine viel pragmatischere und nicht in Ehrfurcht erstarrte Haltung dem Schreiben gegenüber.
Zu allererst ist Schreiben Handwerk. Üben. Weiterschreiben. Sitzenbleiben. Ob es dann Kunst ist, stellt sich viel viel später heraus. Das ist mein Hauptziel in der Arbeit mit dem Studierenden: Schreiben als Handwerk aufzufassen und dadurch auch die Angst davor zu verlieren.
Gleichzeitig die Erörterung der Frage: Was will ich eigentlich erzählen? Und warum? Diese scheinbar harmlosen Fragen können einen leicht um den Verstand bringen, denn nichts ist schwieriger zu beantworten. Darin liegt mein Hauptspaß in der Arbeit mit den Studierenden: sich wie ein Maulwurf immer tiefer in diese beiden Fragen hineinzubaggern, ausgerüstet mit guter Technik und gutem Werkzeug.
Zusammen auf diese Expedition zu gehen, was könnte schöner sein? Manchmal laufen wir in unseren Seminaren allerdings auch über glühende Kohlen - aber das ist eine andere Geschichte."
Doris Dörries Leipziger Poetikvorlesung über das Erzählen 2016
"Guten Abend, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Im Vorfeld habe ich alle schon sehr nervös gemacht, weil ich darauf bestehen wollte, nicht so genau zu wissen, was ich heute abend erzählen möchte, weil ich mich nicht hinter guten Formulierungen verschanzen und nicht vorgeben will, gebildeter oder intelligenter zu sein als ich bin, kein Cut&Paste von Zitaten anwenden möchte. Ich habe keine Lust auf postmodernen Beton und Zynismus, ich möchte so unsicher wirken wie ich bin, voller Zweifel und ohne Gewissheiten. Keine klare, durchgetaktete Erzählung abgeben, sondern eine mit Löchern und Fragezeichen.
Warum will ich das? Weil das meine Arbeitsmethode ist.
Weil aber alle so nervös geworden sind, habe ich es dann doch mit der Angst bekommen, und habe mir wenigstens ein paar Notizen gemacht. Aber eigentlich bin ich immer auf der Suche nach der Improvisation, dem Unsicheren und Fremden.
Ich versuche mich an die Aufforderung aus dem Zen-Buddhismus zu halten, keine Konzepte zu haben, sondern immer wieder offen zu sein und nicht zuzumachen." ...
Den gesamten TEXT finden Sie hier.
Die "Leipziger Poetikvorlesungen. Künstlerische Positionen der Gegenwart" lassen zunehmend Künstlerinnen und Künstler zu Wort kommen, die auch außerhalb eines dezidiert literarischen Spektrums tätig sind - eine Gemeinschaftsveranstaltung des Deutschen Literaturinstituts Leipzig und des Kulturamts der Stadt Leipzig.